Sunday, January 1, 2012

Mit Speck fängt man Mäuse

Fährt man entlang der Nordtrasse der I-495 (beispielsweise von Baltimore nach D.C.), erblickt man früher oder später ein imposantes und etwas mysteriöses Gebäude am Horizont:


Was wir zunächst für eine Moschee hielten, stellte sich bei näherer Recherche als Kirche der Mormonen heraus. Das auch als "LDS Temple Washington" bezeichnete Gebäude ist der 16. Tempel der "Church of Latter-Day Saints" (daher das "LDS" im Namen):


Das ganz mit weißem Marmor verkleidete Gebäude steht in dem Örtchen Kensington, etwa 10 Meilen nördlich von D.C. auf einem bewaldeten Hügel und ist auch bei näherer Betrachtung beeindruckend.

Noch schöner wird es bei Dunkelheit, insbesondere zur Weihnachtszeit, wenn das gesamte Gelände um den Tempel mit tausenden bunter Lichter geschmückt ist:




Derartige "Tempel" gibt es weltweit in großer Zahl. Neben dem in Washington scheinen auch die Tempel in Salt Lake City und San Diego und etliche andere äußerst beeindruckend zu sein. Eine Überblick gibt die Website www.ldschurchtemples.com.

Auf dem großzügigen Areal befindet sich neben dem Tempel mit seinen ausgedehnten Grünanlagen und vielen, vielen Parkplätzen auch ein Besucherzentrum:


Während der Tempel an sich für Nicht-Eingeweihte verschlossen bleibt, steht das Besucherzentrum jedem offen:


Innen sieht es gediegen aus, ein bisschen nach gutbürgerlicher amerikanischer Mittelschicht. Sauber, adrett, ein bisschen bieder. Das "Buch Mormon" liegt in allen Sprachen aus und überall findet man religiöse Bilder und Symbole:


Es gibt sogar ein paar vollständig eingerichtete Zimmer, offenbar eine Art Musterwohnung für gläubige Mormonen:


In der Vorweihnachtszeit war das Besucherzentrum mit über hundert Krippendarstellungen aus aller Welt und etwa einem Dutzend prächtigen Weihnachtsbäumen geschmückt. Der National Christmas Tree hinter dem weißen Haus sah dagegen geradezu armselig aus!

Die Mitarbeiter des Besucherzentrums waren freundlich und nutzten jede Gelegenheit, um ins Gespräch zu kommen. Meine Bitte um eine Kurzeinweisung in den Glauben der Mormonen und meine Fragen wurden prompt beantwortet. Allerdings war es anschließend nicht leicht, die geschulten Mitarbeiter wieder loszuwerden und ohne Abgabe weiterer Information (wie z.B. der eigenen Adresse) wieder aus ihrem Dunstkreis zu entkommen. Die mit weltweit 50.000 Leuten gut ausgebaute Truppe von Missionaren weiss durchaus, wie man die Lehre ihrer Kirche an den Mann bringt!

Ehrlich gesagt, ich weiss nicht viel über diese Religion, habe mich aber des Öfteren gefragt, ob die Mormonen eine "normale" Kirche sind oder eher eine Sekte. Einen schönen Einblick in die Geschichte, Organisation und das Leben innerhalb der Kirche findet man in diesem Wikipedia-Artikel.

Ich erinnere mich dunkel daran, in Itzehoe des Öfteren von Missionaren der Mormonen besucht worden zu sein. Die beiden, stets in dunklen Anzügen auftretenden, jungen Männer hatten Jahre darauf gespart, als Missionare in ein ihnen fremdes Land reisen zu dürfen und dort von Haustür zu Hautür zu laufen, um ihren Glauben an den Mann zu bringen. Dem Vernehmen nach zahlen Mitglieder zehn Prozent ihrer Einkünfte an die Kirche! Es soll zudem aus eigener Kraft nur schwer möglich sein, wieder aus dieser Organisation heraus zu kommen, die das Leben ihrer Mitglieder massiv prägt und beeinflusst. Im Internet findet man viele Berichte von Leuten, die von entsprechenden Erfahrungen berichten und Tipps und Ratschläge zum Ausstieg und zum Leben "danach" geben.

Auf den ersten Blick war ich beeindruckt von der pompösen Architektur, dem offensichtlichen Wohlstand und der demonstrativ zur Schau gestellten Offenheit. Aber je mehr ich mich damit beschäftigte, umso skeptischer wurde ich. Etwas scheint mir faul zu sein an dieser schönen, heilen und biederen Welt...