Am Washington Dulles Airport habe ich in einem Zeitschriften-Kiosk zufällig schwarze Plastikschilder vor Zeitschriften wie Penthouse, Hustler, etc. entdeckt:
Da ich das aus Deutschland nicht kenne, habe ich mich natürlich gefragt, was da wohl verdeckt werden soll:
Dank der schwarzen Abdeckung kann man nur noch den Titel und das Gesicht der auf dem Cover der aktuellen "Maxim"-Ausgabe abgebildeten Dame erkennen. Ich konnte meine Neugier natürlich nicht bändigen und habe kurz hinter die Zensurplatte geblickt (in Erwartung des Allerschlimmsten):
Hmm, das fand ich jetzt aber nicht so problematisch - die Dame ist ja noch nicht einmal nackt!
Was in den meisten Teilen Europas keinen Hund hinter dem Ofen hervor locken würde, scheint die Amerikaner immerhin so sehr aufzuregen, dass es in der Öffentlichkeit verdeckt werden muss. Ist das ein Musterbeispiel für die sprichwörtliche amerikanische Prüderie, die uns Europäern oft so befremdlich erscheint?
Es liegt mir fern, mich über die dahinter stehende Geisteshaltung oder die dadurch womöglich zum Ausdruck gebrachte Paranoia zu mokieren. Jedes Land mag seine eigenen Spielregeln über den Umgang mit dargestellter Sexualität haben und es wird gute Gründe oder doch zumindest gelebte Traditionen oder kulturell-religiöse Spielregeln geben, dies so und nicht anders zu tun. Bezüglich der Presse- und Medienfreiheit (bzw. der Zensur von Büchern und Zeitschriften) sind die USA natürlich unauffällig und spielen als demokratisches Land in der gleichen Liga wie viele (wenn auch nicht alle) europäischen Länder.
Nach etwas Recherche habe ich herausgefunden, dass die schwarzen Plastikschilder leicht euphemistisch als "Family Shields" bezeichnet werden. Vor einigen Jahren gab es beispielsweise landesweites Aufsehen, als ein Supermarkt in Arkansas das Cover der US Weekly verdeckte, auf dem Elton John und sein Lebensgefährte samt ihrem gemeinsamen Baby gezeigt wurden (Link1, Link2). Die dahinter stehende Kette soll erklärt haben, dass jeder ihrer Läden diese "Family Shields" besitze und sie in Eigenregie verwenden kann; der betroffene Laden selbst gab an, sie immer dann einzusetzen, wenn Kunden sich über ein Cover beschweren würden. Nach öffentlichen Druck wurde die betroffene Ausgabe allerdings später in allen Filialen der Kette unverdeckt verkauft.
Sucht man etwas weiter, stößt man auf Artikel, die sich für den Zusammenhang zwischen frühkindlichem Umgang mit Körperlichkeit bzw. Sexualität und Aggression bzw. ausgeübter Gewalt im Erwachsenenleben auseinandersetzen. Das geht häufig in die Richtung, dass es durchaus einen Zusammenhang zwischen unterdrückter Sexualität im Kindesleben und Gewalt bei Erwachsenen gibt (so wie ganz allgemein unterdrückte Wünsche auf Dauer zu Aggressivität und Gewalt führen).
Aber ob man - quasi in Stammtischmanier - den auf den ersten Blick verlockenden Kausalzusammenhang zwischen amerikanischer Prüderie und landesweit hoher Gewalt herstellen kann, möchte ich doch sehr bezweifeln. "Verlockend" für Schnelldenker natürlich auch deshalb, weil es "ja schließlich in den gewaltärmeren westeuropäischen Ländern diese Shields nicht gibt"!
Könnte es nicht auch sein, dass die Amerikaner angesichts der hohen Gewaltrate (die evtl. ganz andere Ursachen hat) überhaupt erst gezwungen sind, diese Schilder aufzustellen, um noch Schlimmeres zu verhüten? Oder dass beides überhaupt keine nachweisliche Korrelation hat, sondern dass Gewalt in einer Gesellschaft von unzähligen weiteren Parametern determiniert wird und die "Family Shields" ganz einfach Ausdruck irgendeiner traditionellen oder religiösen Haltung sind?
Das zu beurteilen, entzieht sich meinen Möglichkeiten. Dennoch bleibt angesichts der eigenen sozio-kulturellen Prägung natürlich ein gewisses Befremden angesichts der "Family Shields" bestehen...